STANDPUNKTE • Sunniten vs. Schiiten: Ein Glaubenskrieg im Nahen Osten? (Podcast)
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Ein Standpunkt von Tyma Kraitt. Es ziehen sich tiefe Bruchlinien durch den Nahen und Mittleren Osten. Sie werden angetrieben von der unerbittlichen Feindschaft zwischen den beiden Regionalmächten Saudi-Arabien und Iran. Ihr Hintergrund reicht jedoch weit zurück in die frühislamische Geschichte. Gemeint ist der Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten, der in Krisenherden wie Irak, Syrien oder Jemen traurige Aktualität erfährt. Doch haben wir es tatsächlich mit einem Glaubenskrieg zu tun, oder ist der Griff in die religionsgeschichtliche Mottenkiste nur ein taktisches Manöver der politischen Eliten dieser Region? Bereits in seinen historischen Anfängen hatte der Gegensatz zwischen Sunniten und Schiiten mehr mit Politik als mit dem Glaube zu tun. Nicht theologische Widersprüche waren Stein des Anstoßes sondern der Führungsanspruch zweier unterschiedlicher Lager nach dem Tode des Propheten und Religionsstifters Muhammed im Jahre 632 n. Chr. Dieser Streit mündete schließlich in die Spaltung der jungen Islamischen Gemeinschaft. Schiiten entwickelten sich aus jener Gruppe, die den vierten Kalifen Ali, einem Cousin und Schwiegersohn Muhammeds, unterstütze und zugleich forderte, dass nur ein direkter Verwandter auch dessen Nachfolge antreten darf. Diese sogenannte Schiat Ali (Dtsch. Partei Alis) blieb jedoch eine Minderheit. Es setzte sich jenes Lager durch, aus dem die Sunniten hervorgingen. Dieses trat dafür ein, dass der neue Anführer zwar vom Stamm des Propheten, aber kein direkter Nachkomme sein musste. Rund um diesen Gegensatz bildeten sich in den darauf folgenden Jahrhunderten unterschiedliche Theologien heraus. Damals wie heute zeigt der Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten eine politische Dimension auf, in der es um die Führung innerhalb der Islamischen Welt geht. Das wahhabitische Königreich Saudi-Arabien und die schiitische Islamische Republik Iran wetteifern um politischen, ökonomischen und auch ideologischen Einfluss in dieser Region. Dabei handelt es sich auch um konkurrierende geopolitische Formationen. Auf der einen Seite haben wir mit Riad einen der wichtigsten Verbündeten der USA bzw. des Westens. Auf der anderen Seite mit Teheran, genau jene Kraft, die diese pro-westliche Ordnung infrage stellt. Schreckgespenst „schiitischer Halbmond“ Im Jahre 2004 warnte Jordaniens König Abdullah erstmals öffentlich vor der Entstehung eines schiitischen Halbmonds – gemeint war eine Achse der Schiiten im Nahen und Mittleren Osten. Die Schiiten stellen zwar mit 10 bis 15 Prozent nach wie vor eine Minderheit innerhalb der Muslime dar, nicht jedoch in einigen Ländern wie Iran, Irak oder Libanon, wo sie Mehrheiten oder größenmäßig relevante Bevölkerungsanteile stellen. König Abdullahs Warnung kam nur ein Jahr nach dem Sturz des irakischen Diktators Saddam Hussein durch die USA und deren Verbündeten. Der Irakkrieg von 2003 und die darauffolgenden Besatzungsjahre haben jedoch zur weiteren Destabilisierung des historischen Zweistromlandes geführt. Inmitten des Chaos betrat Teheran das irakische Feld. Ein Umstand, den es ausgerechnet jenen irakisch-schiitischen Oppositionsgruppen zu verdanken hatte, die durch ihr damaliges Bündnis mit den Amerikanern zur dominierenden Kraft in der neuen Übergangsregierung in Bagdad wurden. Die Folge war eine Veränderung des Machtgefüges in der gesamten Region. Iran avancierte ab 2003 zu einem regionalen Player, der sich nicht mehr so leicht verdrängen lassen wollte. Der Ausgangspunkt ist zunächst eine geografische Achse. Diese setzt sich streng genommen aus den Ländern Iran, Irak, Aserbaidschan und Bahrein zusammen, die allesamt eine riesige schiitische Mehrheit aufweisen. In der Regel werden der Libanon mit ca. 40 Prozent Schiiten dazugezählt, wie auch der Jemen, wo die Zaiditen (eine eigenständige Strömung  innerhalb der Schia) ebenso ca. 40 Proze
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