(44) Polen und Deutschland in Zeiten des Russischen Angriffskriegs auf die Ukraine
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Justyna Gotkowska, stellvertretende Direktorin des unabhängigen Warschauer „Center for Eastern Studies“ (OSW), kann sich noch gut daran erinnern, wie der frühere polnische Staatspräsident Lech Kaczyński im Jahr 2008 in Tiflis gegen das militärische Vorgehen Russlands demonstriert hat und sagte: „Wir wissen sehr gut, dass heute Georgien, morgen die Ukraine, übermorgen die baltischen Staaten und dann vielleicht mein Land, Polen, an der Reihe sind“. Dieses Zitat widerspiegele gut die Sicht von Polens Bevölkerung auf den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Dieser Krieg wirkt wie ein Katalysator auf die polnisch-deutschen Beziehungen, denn er macht einerseits deutlich, wie sehr beide Nationen das gleiche Ziel verfolgen, nämlich Frieden in Europa wieder herzustellen. Geht es andererseits um den richtigen Weg dorthin, scheinen sich viele Übereinstimmungen und Erklärungen in Luft aufzulösen – in dicke Luft, um es salopp zu formulieren. Auf der Münchner Sicherheitskonferenz hat Bundeskanzler Olaf Scholz den besonders in Warschau vorgetragenen Dauervorwurf der deutschen Zögerlichkeit in Fragen der militärischen Unterstützung der Ukraine zurückgewiesen. Nach der generellen Freigabe der Lieferung von Leopard-Panzern sei er nun gespannt, wer von den laut fordernden Ländern seine modernen Kampfpanzer denn nun nach Kiew auf die Reise schicken werde. Was sich wie Geplänkel anhört, hat weitreichende Folgen, denn gerade die Frage, ob die Ukraine diesen Krieg nicht nur nicht verlieren, sondern auch gewinnen soll, unterscheidet die deutsche und die polnische Strategie gegenüber Russland an entscheidender Stelle. Justyna Gotkowska erklärt im Gespräch mit Moderator Oliver Weilandt ihre These, nach der Bundeskanzler Olaf Scholz Angst vor einer „totalen Niederlage Russlands“ habe, denn diese könnte ein unvorhersehbares (vielleicht noch viel schlimmeres) Russland nach Putin bedeuten; wobei Scholz darüber nicht offen rede, während der französische Staatspräsident Emmanuel Macron durchaus sage, dass Frieden mit Russland nur möglich sei, wenn die Ukraine nicht alle Gebiete zurückgewinne. Sie erläutert auch, warum man die Angst Deutschlands (und Frankreichs) vor dem Einsatz nuklearer Waffen durch Russland gerade in den Ost-Mittel-Staaten Europas nicht teile, obwohl diese Staaten wahrscheinlich als erste betroffen wären. In dieser Folge des Atlantic Talk Podcasts geht es auch um die geopolitische Neuordnung Europas aus polnischer Perspektive: Wo verortet sich Polen in einer künftigen europäischen Friedensordnung, wenn es gemeinsam mit der Ukraine Memoranden für energie- und infrastrukturelle Zukunftsprojekte unterzeichnet? Ist die künftige Achse Warschau-Kiew eine Art „Élysée-Vertrag“ und eine Union innerhalb der Union – oder liegt die Zukunft noch mehr als bisher in der verstärkten Integration Polens und der Ukraine in EU und NATO? Eine Aufzeichnung vom 20.02.2023.
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Published 05/30/24
Published 05/30/24