Was ist Aufklärung? - Einsicht und Glauben hängen vom Willen ab
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Die Menschen reden vom Selbstdenken, als wäre es eine Sache, zu der nichts gehörte und die sich von selbst verstünde. Kaum je fragen sie, wie, da doch jeder so sicher ist, selbst zu denken, Irrtum möglich ist, wie verschiedene Meinungen zustandekommen mögen. Die Wahrheit ist, dass der Verstand der Menschen weniger dem unvoreingenommenen Nachdenken und dem Aufsuchen der Wahrheit dient und dass er mehr dazu gebraucht wird, schönzureden und nachträglich zu begründen, was immer die Menschen für wahr halten wollen. Es ist der Wille, nicht der Intellekt, der bestimmend ist, und nur an Das glauben wir, es sei wahr oder falsch, gut oder schlecht begründet, daran wir auch glauben wollen, das also mit unserem Willen übereinstimmt. Anders gesagt: Es denkt zumeist nicht der Mensch selbst, sondern seine Interessen denken für ihn und gelangen, wenig verwunderlich, immer gerade zum ihnen genehmen Ergebnis. Es gibt eine Unzahl unterschiedlicher Meinungen: 0:08 Das meiste wird als selbstverständlich hingenommen; philosophisch ist es, sich über das Selbstverständliche und Alltägliche zu verwundern: 5:10 Unterschiedliche Meinungen und das Beharren darauf sind durch Unkenntnis und Dummheit allein nicht erklärlich: 6:27 Nicht die Theorie bestimmt die Praxis, sondern die Praxis die Theorie: 11:23 Die Meinungen der Menschen sind nicht rational, sondern werden nachträglich erst rationalisiert: 25:46 Beispiel: Reichsbürger: 27:46 Das Ideal einer Debatte oder von der Wahrheitssuche hat meist nur wenig mit der Wirklichkeit zu tun: 42:18 Auch wo es scheinbar um Wissenschaft geht, ist es oftmals nicht um freie Wahrheitssuche zu tun, sondern soll ein vorher schon feststehendes Ergebnis nur gestützt werden: 45:44 Jede noch so falsche Meinung lässt sich argumentativ stützen: 49:22 Auch in der sogenannten seriösen Wissenschaft ist das Ideal der unvoreingenommenen Wahrheitssuche oft kaum verwirklicht: 51:48 Steht die Meinung erst einmal fest, ist keine Begründung zu unsinnig, um zu ihrer Rechtfertigung herzuhalten: 56:18 Aus dem Primat der Praxis erklärt sich das häufige Zusammenfallen verschiedener Meinungen, die inhaltlich zunächst nichts miteinander zu tun zu haben scheinen: 1:01:13 Die Menschen schauen die Wirklichkeit nicht frei an, sondern sehen nur, was immer sie sehen wollen und sie bestätigt: 1:11:02 Beispiel: Die Feministin, die überall Frauenfeindlichkeit sieht: 1:13:54 Wirkt der Aufgeklärte intellektuell überlegen, so weniger aus intellektueller als vielmehr aus moralischer Überlegenheit: 1:27:53 Die von mir besprochene Passage aus Imre Kertész' Roman eines Schicksallosen findet sich im ersten Kapitel: „Wir waren schon auf unserem Stockwerk, als meiner Stiefmutter einfiel, daß sie vergessen hatte, die Brotmarken einzulösen. In die Bäckerei habe ich dann zurück müssen. Den Laden konnte ich erst nach ein bißchen Schlangestehen betreten. Zuerst mußte ich mich vor die blonde, großbusige Bäckersfrau hinstellen: sie schnitt das entsprechende Quadrat von der Brotmarke ab, dann weiter, vor den Bäcker, der das Brot abwog. Er hat meinen Gruß gar nicht erwidert; es ist ja in der Gegend allgemein bekannt, daß er die Juden nicht mag. Deshalb hat er mir auch um etliche Gramm zu wenig Brot hingeworfen. Ich habe aber auch schon sagen gehört, daß auf diese Weise pro Ration etwas für ihn übrigbleibt. Und irgendwie, wegen seines wütenden Blicks und seiner geschickten Handbewegung, habe ich auf einmal die Richtigkeit seines Gedankengangs verstanden, nämlich warum er die Juden in der Tat nicht mögen kann: sonst müßte er ja das unangenehme Gefühl haben, er betrüge sie. So hingegen verfährt er seiner Überzeugung gemäß, und sein Handeln wird von der Richtigkeit einer Idee gelenkt, was nun aber – das sah ich ein – etwas ganz anderes sein mag, natürlich.“
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Published 12/18/21
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Published 12/18/21
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Published 12/11/21