Episodes
Im »Phaidros«, einem der schönsten Dialoge Platons, hält Sokrates eine lange Rede über die Seele und den Eros: Nachdem sein Gesprächspartner Phaidros eine Rede des Logographen Lysias vorgelesen hatte, in der die Liebe als etwas Schädliches für den Geliebten zur Darstellung kommt, hat sich Sokrates ebenfalls zu einem Frevel gegen den Eros hinreißen lassen. Mit seiner zweiten Rede nun, der sogenannten Palinodie (svw. »Widerruf«), soll dieser Frevel wiedergutgemacht werden. Die Liebe, welche...
Published 08/18/06
Als »die Kunst, die Rede eines andern richtig zu verstehen« (HL 7/8) faßt der Theologe Friedrich Schleiermacher den Begriff der allgemeinen Hermeneutik, welche von ihm zuerst entwickelt wurde. Schleiermacher hat seine hermeneutischen Arbeiten zu Lebzeiten nie veröffentlicht; erst 1836 wurden sie unter Zuhilfenahme von Vorlesungsmitschriften von seinem Schüler Friedrich Lücke unter dem Titel »Hermeneutik und Kritik mit besonderer Beziehung auf das Neue Testament« herausgegeben.
Unser Passus...
Published 07/01/06
Friedrich Schillers Briefe »Über die Ästhetische Erziehung des Menschen«, erschienen 1795, sind eine frühe Auseinandersetzung mit den Konsequenzen der Französischen Revolution, der Aufklärung und der Technisierung, Entwicklungen also, die in vielerlei Hinsicht die Gesellschaft aus den Fugen zu bringen drohen. Eine Besinnung auf die Schönheit unter Aufnahme wesentlicher Gedanken Immanuel Kants ist der Versuch, Möglichkeiten für ein gutes, gefügtes Leben in neuer Zeit auszuloten, dessen...
Published 05/21/06
Friedrich Nietzsche weiß, dass auch Philosophen und Schriftsteller nur menschlich, allzumenschlich sind. Entsprechend lakonisch handelt er die Dichter und Denker in seiner 1878 erschienenen Aphorismensammlung ab. Denn »der beste Autor wird der sein, welcher sich schämt, Schriftsteller zu werden.«
Literaturnachweis:
F. Nietzsche: Menschliches, Allzumenschliches, hrsg. v. Giorgio Colli u. Mazzino Montinari, Berlin/New York 1999, 163-4 (KSA 2).
Published 04/22/06
Der Schluß von Arthur Schopenhauers Hauptwerk »Die Welt als Wille und Vorstellung« (1818), das Kapitel »Bejahung und Verneinung des Willens zum Leben«, befaßt sich mit den radikalsten Konsequenzen seiner Philosophie des Willens; zum einen wird die endgültige Überwindung, und das heißt Verneinung des Willens zum Leben als der finale Schritt des Menschen auf dem Wege der Erkenntnis, dargeboten. Ihm voraus geht die Einsicht, daß das Leben, solange es sich als Wille zu verwirklichen drängt, immer...
Published 04/08/06
Novalis’ »Monolog« (1799/1800) ist ein Monolog der Sprache selbst. Daß die Sprache immer dann, wenn wir etwas Bestimmtes sagen wollen, unsere Absichten durchkreuzt, ist die Grundeinsicht dieses Textes. Sie ist deshalb ein »ein so wunderbares und fruchtbares Geheimnis«, weil sie eine Welt für sich ausmacht und nicht vor allem mitteilen oder gar informieren will.
So bedeutet für Martin Heidegger der »Monolog« das Zeugnis eines Blitzes, eines Aufblitzens des Sprachwesens nämlich, das erst noch...
Published 03/24/06
In den Jahren 1797 bis 1799 entstand unter Friedrich Hölderlins Hand der Briefroman »Hyperion oder der Eremit in Griechenland«. Seine zwei großen Themen sind die Utopie eines kommenden, freieren Zeitalters und die Liebe zum Schönen, das sich Hölderlins Protagonist Hyperion in der Harmonie der Natur und seiner Geliebten Diotima zeigt.
Diotima, die denselben Namen trägt wie Sokrates’ Lehrerin in Platons Dialog vom Eros, dem »Symposion«, stiftet Hyperion und einige Freunde zu einer Seereise...
Published 03/09/06
Der dem Ostjudentum entstammende Emil Lask, geboren 1875, fiel 1915 als Soldat im ersten Weltkrieg in Galizien. Der Philosoph sah sich selbst als zur Schule des Neukantianismus gehörig. In seinen Hauptwerken, die Versuche und Ansätze einer neuen Grundlegung der Philosophie sind, kommen allerdings auch andere, neue Einflüsse, z.B. durch die Phänomenologie Edmund Husserls, zum Tragen. Die starke Rezeption und Würdigung seines originellen Werkes in den zwanziger Jahren fand im...
Published 02/26/06
Nachdem sich unsere Hörer diesmal ein wenig länger gedulden mußten, stellen wir heute die ersten Seiten der Vorrede von Hegels »Phänomenologie des Geistes« (1807) vor. Die berühmte Vorrede, die erst im Nachhinein verfaßt wurde, stellt programmatisch Hegels Begriffe des Systems und des Absoluten dar, und beginnt mit der wunderbaren Allegorie vom Hervorbrechen der Blüte, welche die Knospe zwar widerlegt, doch nur mit dieser zusammen als Momente einer organischen Einheit »das Leben des Ganzen«...
Published 01/30/06
Mit einigen Worten aus Friedrich Nietzsches »Fröhlicher Wissenschaft« wollen wir unsere Hörer ins neue Jahr geleiten. Wir wünschen Ihnen und Euch einen guten Anfang!
Fee, Manuel Schölles & Tom Wellmann
Published 12/31/05
Im März 1913 erwarb die Königliche Bibliothek in Berlin bei einer Auktion einen Hegel-Autographen von der Firma Leo Liepmannssohn, die keine genauere Auskunft über die Herkunft des fragmentarischen Manuskripts geben konnte. (Es ist nur das letzte Blatt erhalten, welches mit dem Ende eines Satzes beginnt: »... eine Ethik.«). 1917 wurde der Text als das »älteste Systemprogramm des deutschen Idealismus« von Franz Rosenzweig herausgegeben, der, obgleich die Handschrift eindeutig von Hegel stammt,...
Published 12/28/05
Schellings »Freiheitsschrift« von 1809 gehört zu den faszinierendsten Texten der Philosophiegeschichte. In ihr werden das Wesen der Freiheit und das damit einhergehende Problem des Bösen im Zusammenhang mit der Geschichte der Schöpfung behandelt. Der von uns ausgewählte Textabschnitt (Sämmtliche Werke, 357-364) hebt an mit der Unterscheidung zwischen der Existenz Gottes und dem Grund seiner Existenz, »den Gott in sich hat […]. Er ist die Natur – in Gott; ein von ihm zwar unabtrennliches, aber...
Published 12/19/05
Unser Text ist der Einleitung einer Abhandlung über die sogenannte Kawi-Sprache malayischer Volkstämme entnommen: »Über die Verschiedenheit des menschlichen Sprachbaues und ihren Einfluß auf die geistige Entwicklung des Menschengeschlechts«, 1836 erstmals veröffentlicht. Diese Einleitung glaubt Humboldt, „allgemeineren Betrachtungen widmen zu müssen“.
Er entdeckt eine rätselhafte Zwischenstellung der Sprache zwischen Subjektivität und Objektivität, zwischen Unverfügbarkeit und Gemachtheit...
Published 11/30/05
Als »Lied der Schwermuth«, vom alten Zauberer gesungen, ging dieses Gedicht in den 1885 erschienenen vierten Teil von »Also sprach Zarathustra« ein. 1889 tauchte es in überarbeiteter Fassung als Eingangslied der »Dionysos-Dithyramben« wieder auf, nun mit dem Titel »Nur Narr! Nur Dichter!«. Die Gedichte greifen zwar nicht auf den echten Dithyrambos zurück, einer Form griechischer Chorlyrik, aus der die Tragödie entstanden ist, sie bringen jedoch den ‚Geist‘ des Dionysischen in berückender...
Published 11/16/05